Vier Wochen nach der Bundestagswahl hat sich der Deutsche Bundestag konstituiert. Im Vorgriff auf die kommende Regierungskonstellation wurden ein paar Posten mehr im Präsidium geschaffen, um der sozialdemokratischen Partei den Anschein von Augenhöhe zu ermöglichen, obwohl dafür fünfzehn Prozentpunkte fehlen. Anschließend durften die frischgewählten Volksvertreter wieder nach Hause, wo sie auf Abruf den weißen Rauch der Regierungsbildung erwarten sollen. Denn, und das ist neu: Ohne Koalition und Regierung kein Parlament. Die offenkundige Verkehrung von Souverän und Geschäftsführung – ein Vorzeichen für den kommenden Umgang der Regierung mit dem Parlament?
Derweil kommt die Debatte über die Bedeutung des Wahlergebnisses in der Linken nur schleppend voran. Vielerorts Achselzucken. In der Linkspartei herrscht das Gefühl vor, mit einem blauen Auge, gleichwohl ordentlich erfolgreich davon gekommen zu sein: Seit Sommer 2012 habe die neue Parteiführung die Partei aus dem selbstverschuldeten Umfragetief geführt, der Weg sei offenkundig erfolgreich, also weiter so in die nächsten Wahlkämpfe. Die neue Bundestagsfraktion hat mit der Zusammensetzung des neuen Fraktionsvorstandes – es fällt schwer, bei einem personellen „Gesamtpaket“ den Begriff Wahl in seiner über Legitmationsbeschaffung hinausweisenden Bedeutung zu verwenden – dokumentiert, diesen Zustand bestens verwalten zu wollen. Und hier und da beginnt eifriges Gerede, das „2017“ alles anders und damit „jetzt“ begonnen werden müsse. 2017 jährt sich zum 100. Mal der „Rote Oktober“, die russische Revolution.
Das Wahlergebnis liefert indes viele Hinweise, dass in der bundesdeutschen Gesellschaft größere Wählergruppen auf der Suche sind, dabei aber Abenteuer scheuen. Die summierten Veränderungen in den Stimmenanteilen waren noch nie seit den Anfängen der Bundesrepublik so groß wie 2013. Ebenfalls neu: Fest ein Sechstel der gültigen Stimmen sowie insgesamt 40% der Wahlberechtigten sind nicht im Parlament vertreten. Die Mehrheitsverhältnisse im Parlament, gar die zwischen einer kommenden Regierung und der kommenden Opposition, spiegeln die politischen Verhältnisse in der Gesellschaft nicht wieder. Oder gerade doch, weil da jetzt zwei Parteien regieren, die in den großen Fragen der europäischen Krise in die gleiche Richtung marschieren? Oder ist die Repräsentationslücke der Ausgangspunkt für eine neue außerparlamentarische Opposition oder gar für „politische Schwarzmarktphantasien“ (Oskar Negt)?
Und was hieße denn das für „2017“? Was lehrt das Wahlergebnis die Linken? Welche Signale der Öffnung gegenüber neuen gesellschaftlichen Suchbewegungen und Anliegen werden ausgesandt? Und was bedeutet eigentlich der Pokal „Oppositionsführerschaft“ für Die Linke, da ihm ja die nötige Würze starker Opposition, die personelle und machtpolitische Alternative zur Regierung aufbauen zu können, erkennbar genommen wurde?
Ein paar Gedanken und Zahlen zur weiteren Diskussion aus den ersten Oktoberwochen hier:
Eine Bewertung des Wählervotums auf der Hautversammlung des Bezirksverbandes Berlin-Pankow der Partei DIE LINKE am 2.11.2013 hier: