Die Bürgerinnen und Bürger haben den Deutschen Bundestag neu zusammengesetzt und die Parteienlandschaft kräftig durcheinander gebracht. Frau Merkel kann Kanzlerin bleiben. Die FDP ist abgewählt. Die SPD scheitert mit ihrer Rotgrün-Strategie. Die Linke wurde zur drittstärksten Kraft. Mit der Alternative für Deutschland klopfte eine neue Protestpartei an die Tür des Bundestages. Die politischen Lager wurden vor neue politische Herausforderungen gestellt.
Angela Merkel wird Bundeskanzlerin bleiben. Die Regierungskoalition aus CDU/CSU/FDP aber wurde abgewählt. Die FDP wird ausweislich der Hochrechnungen um 20:30 Uhr nicht mehr im 18. Deutschen Bundestag vertreten sein. Ob die Union die absolute Mehrheit der Mandate erreicht hat und vier Jahre das Land, erstmals seit 1957, allein regieren kann, ist derzeit noch offen.
Die Union ist die Gewinnerin des Wahlabends. Sie hat ihren Stimmenanteil wieder auf über 40% steigern können. Ob sie damit wieder den alten Status der Volkspartei erlangt hat, kann erst in kommenden Wahlen beantwortet werden. Aber es ist gelungen, erstmals wieder deutliche Stimmengewinne zu erzielen.
Die FDP hat ein desaströses Wahlergebnis erhalten. Das Ergebnis der vorherigen Wahl hat sich als bloße Spekulationsblase erwiesen und war der Anfang vom vorläufigen Ende der parlamentarischen Existenz der FDP im Bundestag. Nachdem sich die FDP bereits unter Westerwelle vom politischen Liberalismus verabschiedet hatte, verspielte sie in vier Jahren Regierungsbeteiligung bei ihren Anhängern ihren Ruf als Steuersenkungspartei und ordnungspolitischer Hort des Marktliberalismus. Die FDP-Führung hat es in den vergangenen Jahren geschafft, den parteipolitisch organisierten Liberalismus in Deutschland auf außerparlamentarisches Niveau herunterzuwirtschaften.
Die SPD erzielte zwar ein leicht verbessertes, aber immer noch eines ihrer schlechtesten Ergebnisse bei Bundestagswahlen. Nur gut ein Viertel der Stimmen, ein Zuwachs von 2,5% gegenüber der Talsohle von 2009, holen die SPD, trotz Haustürwahlkampf und hohem Wahlkampfeinsatz, auf den Boden ihrer politischen Möglichkeiten zurück. Sie kann die tektonischen Verschiebungen in ihrer Anhängerschaft infolge der rotgrünen Reformpolitik 2000 bis 2005 nicht rückgängig machen. Sie hat einen nicht geringen Teil ihrer Anhänger dauerhaft verloren, an die Linke, an »die Nichtwähler« und auch an die CDU. Die SPD konnte in der sozialen Mitte nichts gegen die Union gewinnen, und links gelingt es ihr nicht, die Linke aus dem Parlament zu vertreiben.
Der Ausflug der Grünen in neue, neu-bürgerliche soziale Schichten wurde gestoppt. Sie erreichten ein Ergebnis auf Niveau ihrer Stammwählerschaft, auf welches sie die letzten Phase ihres Wahlkampfes konzentrierten. Die Grünen sahen sich im Wahlkampf heftigem Gegenwind aus dem Lager der Union und nahestehender Organisationen ausgesetzt, der sich insbesondere auf die Steuerpläne der Partei richtete. Damit im Zusammenhang wurden sie als Partei der »Besserwisser« und als »Bevormundungspartei« angegriffen. Offenbar hatten die Grünen unterschätzt, dass die Union den Einbruch in ihre Wählerschichten, etwa in Baden-Württemberg, nicht kampflos hinnehmen würden.
Die Linke hat ein achtbares Wahlergebnis erzielt und wurde drittstärkste Partei vor Grünen und CSU. Sie konnte ihr Wahlergebnis von 2005 bestätigen und widerlegte alle Hoffnungen, sie könne sich als Protestbewegung nach zwei Legislaturperioden erledigt haben. Auch im Westen erreichte sie wieder über fünf Prozent, was ihre Rolle als bundespolitische Partei unterstreicht. Mit dem dritten Einzug in den Bundestag rückt sie in den Kreis der etablierten Parteien auf. Das wird sie vor neue Herausforderungen stellen.
Die Alternative für Deutschland (AfD) hat, voraussichtlich, den Einzug in den Bundestag knapp verpasst. In der bundesdeutschen Parteienlandschaft gibt es nun eine Protestpartei im rechten, bürgerlichen Spektrum. Die AfD vereinigt einerseits die marktliberalen Ordnungspolitiker aus Union und FDP, die mit dem Euro-Kurs der Regierung und der ihrer Meinung nach heraufziehenden Haftungsunion nicht einverstanden waren, und andererseits sammelte sich, auch von der Linken, Proteststimmen ein. Ihr Wahlkampf in den Ländern spiegelt die Vielfalt der Kräfte, die sich unter dem Dach der »Alternative« versammeln und lassen ahnen, welche Probleme der neuen Partei die Konsolidierung bereiten wird.
Die Wahlbeteiligung lag nur geringfügig höher als beim Tiefstand 2009. Der Wahlkampf vermochte keine qualitativ höhere Wählermobilisierung zu erzeugen. Ein Grund dürfte gewesen sein, dass bereits früh klar war, dass die rotgrüne Wechselstrategie nicht erfolgreich sein und es keine Alternative zur Merkel-Politik würde.
Noch niemals waren bei einer Bundestagswahl in den vergangenen 50 Jahren so viele Stimmen nicht im Bundestag vertreten. Bleibt es bei dem gegenwärtigen Stand, wird fast ein Sechstel der abgegebenen Stimmen nicht parlamentarisch repräsentiert sein. Welche Wirkungen dies auf die Parteien haben wird, ist nicht absehbar, aber es gehört zu den strategischen Fragen, vor denen jetzt die politischen Lager gestellt sind.
Das »bürgerliche« Lager wird klären müssen, ob es auf Dauer mit drei Parteien erfolgreich sein kann und will, oder ob es eine Reunion von FDP und AfD unter nationalliberalen Vorzeichen für geeigneter hält, die politische Macht zu sichern.
Die Stimmenanteile von Union, FDP und AfD erreichen 52% und liegen damit über dem Wert von 2009 für Union und FDP (49%). Das »bürgerliche« Lager lag damit zum zweiten Mal hintereinander wieder deutlich vor dem »linken« Lager.
Im »linken« Lager geht es darum, ob SPD und Grüne den Alleinvertretungsanspruch aufrecht erhalten oder ob die Etablierung der Linkspartei zu einer Erweiterung der strategischen Optionen führt. Für die Grünen speziell stellt sich nach dem Scheitern der Strategie, alles auf die SPD zu setzen, die Frage, ob sie sich weiterhin primär als Partei eines politischen Lagers sehen oder als Grenzgängerin zwischen den Lagern, die sowohl mit der Union als auch mit SPD und Linkspartei Mehrheiten bilden kann.
Die Bürgerinnen und Bürger haben im Bund des politische Handlungsfeld der Parteien neu geordnet. Die 18. Legislaturperiode des Bundestages wird eine Periode sein, in der die Kräfte der alten Ordnungsmuster der Parteien mit den Kräften einer Neuordnung der Verhältnisse zwischen den Parteien heftige Auseinandersetzungen austragen werden.
22.09.2013, 21:00
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